AKTUELL     WERKE     BIO     KONTAKT

< zurück zu ZEICHNUNG

Wiener Inventar
Bleistift- und Federzeichnungen auf Karton, 60 x 62,5 cm
Diplomarbeit an der Meisterklasse für Grafik, Hochschule für angewandte Kunst Wien, 1977–78

Zeichnerisches Inventar heterotoper Räume, rund dreißig sehr spezielle Orte und Bauten,
damals kaum bekannt, kaum zugänglich, zum Teil funktionslos, zum Teil vergessen, vom Abbruch bedroht.


Text zu Gasbehälter Simmering aus der Diplomarbeit 1978...

Wir steigen hinauf über die grasbewachsenen Fundamente zu einem der vier Gasbehälter. Mein Begleiter sperrt das Tor auf. Ein Meter vor mir eine schwarz glänzende, genietete Stahlwand, der Innenbehälter. Wie ein riesiges Schiff, fast endlos nach oben hin. Ich stehe auf einem schmalen Bretterumgang. Der Tank steht in einer 30.000 m3 Wasserwanne gegen den Winddruck und bildet zugleich Dichtung für die sich bei Auffüllung hebenden Behälterringe. Die Oberfläche des Wassers bedeckt Öl gegen Verdunstung. Es bildet eine so perfekt glatte Fläche, dass die Spiegelung den Behälter nach unten hin noch einmal so groß erscheinen lässt. Auf steilen Stahlstufen steigen wir hinauf, zwischen Taubenmist, Federn und Öl. Nach harten Konditionsproben tauche ich über der Behälterglocke auf. Der beklemmend enge Aufstieg wird abgelöst von der unglaublichen Weite der hoch oben alles überspannenden Außenkuppel. Licht fällt gebündelt durch Laterne und Bogenfenster. Taubengurren und pfeifendes Geflatter. Die Hände sind schon sehr lang vom Tragen der großen Mappe, des Klappstockerls, und des Fotoapparates. Oben angekommen gehen wir einmal herum um den riesigen Raum. Ein Mensch am gegenüberliegenden Teil des Rundganges erscheint ca. 1cm groß. Draußen ist schon Frühling, hier drinnen ist noch Winter, er kann nicht so schnell hinaus durch die dicken Mauern. Ich muss mit Handschuhen zeichnen. Durch eine Luke gelangt man an die Außenseite. Ein herrlicher Blick über Wien. Der Sturm bläst uns fast um. Die dünne Blechdachhaut wird gerüttelt und gelockert. Rundgänge und Kuppelbesteigungen, die ich nie vergessen werden. Mittags esse ich mit den Arbeitern in der Werksküche. Dort ist es warm.





Contact
RENATE KORDON art@renatekordon.com
Copyright © 2013–2023 · All Rights Reserved · Renate Kordon · www.renatekordon.com