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Malerin
16 mm und MiniDV, 1'49", Stop-Motion, Sprecherin: Mira Kapfinger, Ton: Veeh Harfe, Wien 1984
Premiere: One Day Animation Festival, Filmcasino Wien, 2008

Die Hand der Künstlerin verwandelt, was sie ergreift, der männlich voyeuristische Blick in alten Gemälden wird auf der Malpalette seziert. Unterlegt mit einer Lesung von Namen wichtiger Künstlerinnen.

Susanne Neuburger: In den Fussstapfen der Hand; in: Lebenslinien Renate Kordon ...

Die Malerin ist ein weiblicher Subjektentwurf der Moderne, auf den sich Renate Kordon in ihrem Film Malerin (1984/2008) bezieht. Sie gibt uns darin eine Auswahl von mehr als 30 Namen von Künstlerinnen, die wie ein Text vorgetragen werden und eine andere Geschichte der von Männern dominierten Moderne aufrufen. Unter den Künstlerinnen sind Marianne von Werefkin, Sonia Delaunay, Natalia Goncharowa, Marie Toyen oder Hannah Höch zu finden neben Positionen aus den 1960er Jahren wie Eva Hesse oder Niki de Saint Phalle. Kordon hat auch Hildegard von Bingen und ältere Künstlerinnen wie Artemisia Gentileschi, Élisabeth Vigée-Lebrun oder Sabina von Steinbach, eine Steinmetzin aus dem 13. Jahrhundert, aufgenommen. Wie die Fotografinnen Diane Arbus, Tina Modotti oder Gertrude Käsebier sind beileibe nicht alle Malerinnen, scheinen jedoch einem die Moderne stützenden Kunstbegriff verbunden. So hielten bekanntlich Künstler der Moderne an ihrem Status als Maler fest, auch wenn sie längst intermediär in angewandten Bereichen oder neuen Medien tätig waren. László Moholy-Nagy ist ein Beispiel dafür, der sich ebenso hätte als Ingenieur oder Filmemacher bezeichnen können. Auch Delaunay war spartenübergreifend orientiert, indem sie die Mode der Kunst gleichstellte, und Sophie Taeuber-Arp war mit Performance, Theater und Kleidung neben Malerei und Plastik befasst. Aus heutiger Sicht handelt es sich bei allen Namen um abgesegnete Positionen, die in den 1980er Jahren zum Teil gerade erst wiederentdeckt und zu Stützen feministischer Diskurse wurden. Von den großen Kritikerinnen der Malerei, Warwara Stepanowa oder Liubow Popowa, kommt Popowa gemeinsam mit anderen russischen Pionierinnen vor.

Auch Kordon war selbst keineswegs Malerin, sondern Filmerin und Zeichnerin. Sie hatte auch Architektur studiert und eine Fotoausbildung absolviert. 1983–84 war sie in der Meisterklasse für Experimentellen Film von Maria Lassnig, die als einzige Österreicherin in Malerin vorkommt. Lassnig stand damals im Schatten von Arnulf Rainer und ihre spätere internationale Karriere war noch keineswegs absehbar. Als der Film entstand, war es wieder vermehrt die Malerei, die ins Zentrum des Kunstgeschehens gerückt war. Die Malerei der 1980er Jahre war nach wie vor von Männern dominiert, die in virile Subjektkonstruktionen eingebunden, von denen besonders Rimbauds „Ich ist ein anderer“ sich großer Beliebtheit erfreute. Malerin ist der Gegenwurf dazu, wenngleich auch Kordon dem Alter Ego eine weibliche Variante abgewonnen zu haben scheint, wenn sie in Walking on my lifeline (2001) als kleine Plastikfigur in blauem Kleid und Hut, mit passenden Schuhen und Tasche energisch die Lebenslinie ihrer Hand entlang spaziert.
Mit dem Bild der Hand, der „schönen“ Hand, die zeichnet, malt oder schreibt, sind auch die Namen der Künstlerinnen in Malerin assoziiert. Man sieht Gegenstände, wie eine Schere, Nadeln, Papier oder eine Figur aus Ton, die in rascher Abfolge auf einer auf- und zuklappenden Hand als Präsentierteller vorgeführt werden. Tatsächlich wird auch im Film nicht gemalt, sondern allenfalls eine feministische Befragung der Palette als traditionelles Requisit eines Malers inszeniert. Die Hand in Malerin formt, bildet und schneidet und zeigt nicht nur die entsprechenden Requisiten, sondern auch Produkte, wie die Schere aus Papier oder einen Tonklumpen, aus dem eine Figur geformt wird, die in der Folge wiederum durch mehrere Schnitte zerteilt wird. Die Hand erscheint vor weißem Grund, als würde doch noch Malerei entstehen. Tatsächlich erscheinen aus Bildern von Tizian und Manet herausgelöste weibliche Figuren, die, auf die Palette gesetzt, in der Tonmasse verschwinden, aus der neuerlich eine Figur entsteht, die Palette und Pinsel hält. Als Referent scheint die Palette die Hand ersetzt zu haben, die nackten Frauen aus den alten Gemälden werden, wie Kordon sagt, „zum Schluss des Films von der ‚Malerin‘ (die aus Ton-Erde besteht) einverleibt, ins Herz genommen...“

Immer wieder weist Kordon der Hand - gleichbedeutend mit ihrer Hand - wichtige Rollen in ihren Werken zu. Kordon ist Linkshänderin, ihre „schöne Hand“ ist also die linke, die auch die arbeitende Hand ist. Diese ist in Malerin die Hand der Regisseurin hinter der Kamera, die den Auslöser drückt, die Einstellungen der Kamera macht, das Setting mit allen notwendigen Gegenständen arrangiert und die Tonfigur formt. Die abgebildete (rechte) Hand muss, so Kordon, „ruhig halten im Trickfilm und darf in den vielen Einzelbildern, die notwendig sind, die Position nicht ändern, um im Bildfluss des Films als Stille oder gleichmäßige Bewegung wahrgenommen zu werden“. Diese rechte Hand befindet sich quasi in der Situation einer Pose, während die linke der Apparat ist.

In Buntes Blut (1985) schreibt die Hand zunächst, um dann aber Träger der Farbe zu werden. „Zuerst formt die Hand ein Zeichen, eine Abstraktion, dann überformt das Zeichen die Hand“ (Renate Kordon). Die Zeichen der 1980er Jahre bestanden in einer Nähe zur Schrift und mutierten zu Gesten oder Gebärden. Kordons Hände bestehen weniger in einer Bewegung einzelner Finger, als dass sie solche Gesten sind, die anders als die Botschaft oder das Zeichen eine intermediale Träger-Funktion erfüllen. Auch die Surrealisten liebten das Motiv der weisenden Hand, die im automatistischen Schreiben vom Kopf isoliert war. Im Fluxus heißt die zeigende Hand „Direction“ und kann auch Träger von Text sein kann. In Kordons Buntes Blut ist die Hand als pointierte, dennoch ruhende Geste innerhalb des filmischen Ablaufs eingesetzt. Streifenförmig bemalt, ist die Referenz zur Malerei gegeben, wenngleich es der Körper ist, der in Buntes Blut Träger von Malerei und Zeichnung ist. Auch andere Arbeiten wie die bunten Regelbilder, die auf den Körper projiziert werden, sind aus dem Modell Körper- Bild aufgebaut, Kordon nennt sie auch „Kleider aus Licht“. In ihren Filmen bringt Kordon das Formenrepertoire der Moderne in Bewegung. Deren Zeichen haben Rahmen und Statik des Bildes verlassen, um sich im Fluidum des Films mehrfach zu überlagern oder sogar aufzulösen. In Längs- und Querlinien wird in Buntes Blut der Körper durchmessen, der wie ein Wunderblock Schichten aufsaugt und als Modell eines Gedächtnisspeichers dienen könnte, wie dies auch in Malerin für die Sequenz der Namen der Künstlerinnen gelten kann.
In all diesen Werken geht es um eine Neubewertung der klassischen künstlerischen Kategorien, die wiederum den feministischen Ansatz stützt und trägt. Dies zeigt auch die Arbeit Raumfahrt von 1989, die daran erinnern mag, dass Roland Barthes den Künstler „von Haus aus einen Gebärdenmacher“ nannte. In diesem Film geht es um die Gebärde des ganzen Körpers, die Hände meistens im Vormarsch. Alle Gebärden überführt Kordon in das schnelle Tempo des Films und verstärkt dadurch die Bewegung. „Animation“ will sie auch mit „Beseelung“ verstanden wissen. In Weekendhäuser für Seelen von verstorbenen Künstlerinnen und Künstlern kommen neben Paula Modersohn-Becker und Camille Claudel auch Bosch und Kafka vor, die uns mit ihrem surrealistischen Vokabular noch einmal über die Art der Beseelung instruieren könnten.



Siehe auch Installation > Malerinnen, ASIFAkeil, MQ >


Malerin im Ursula Blicke Videoarchiv:
www.ursulablicklevideoarchiv.com/video/Malerin >




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